Deutsche Weihnachtslieder
3. Buch

Zu Weihnachten

Stille wars in aller Welt,
Als der Heiland ward geboren:
Keine Waffe klang im Feld;
Janus mit beschlossnen Toren
Gab ein Ziel der alten Zeit:
Neue Zeiten zogen aus,
Friedevoll in Nacht und Graus
Schien ein Stern der Heiligkeit.

Dunkel ist es auch in mir,
Stille worden wie im Grabe.
Einst wie fröhlich klang es hier!
Einsten an wie reicher Habe
Weidete sich dieses Herz!
Immer war die Tröstung nah,
Und wohin mein Auge sah,
Freude sah es allerwärts.

Linde Kost und süßer Schaum
Standen da auf goldnen Tischen;
Bis ich endlich aus dem Traum,.
Aus dem schönen, trügerischen
Ach! mit Schrecken bin erwacht
Und mich finde bloß und arm
Und nur habe meinen Harm
Und die doppelt finstre Nacht.

Nur die Nacht und meinen Harm
Und ein Tor, das zugeflogen.
Komm und scheine hell und warm,
Spanne deinen goldnen Bogen,
Stern der Ruh und Heiligkeit,
Über meine Armut aus!
Nach der alten Zeiten Graus
Bringe du die neue Zeit.

W. Wackernagel